Donnerstag, 13. November 2014

Ich bin Gamer und hasse die Candy Crush Saga!

Tolle Überschrift könnte man meinen, so schön polarisierend. Aber was hat das mit gutem Ethikunterricht zu tun? Gaming ist Gewalt, Amoklauf, soziale Inkompetenz und der stumpfsinnige Versuch Kunst auf das nächste „Level“ zu bringen. Es reicht offensichtlich nicht mehr ein paar Spritzer Farbe auf eine leere Leinwand zu knallen, nein Kunst will jetzt auch den Computer, die virtuelle Welt, erobern. Spiele wollen einen geistigen Mehrwert bringen, wollen das Denken revolutionieren und überhaupt und sowieso geht’s jetzt erst so richtig los.

Da könnte man sich jetzt natürlich in die erste Reihe stellen, ein lautes „SIEHSTE!“ von sich geben und sich gleich das neuste Call of Duty vorbestellen, das ja jetzt immerhin mit Kevin Spacey, die epische Handlung noch epischer macht und die kolossalen Gefechten noch kolossaler, um den Konsumenten noch besser an den Bildschirm zu fesseln. Aha, könnte man jetzt sagen, dass sind also diese Computerspiele… soso. Aber ist das auch Kunst, ein intellektueller Mehrwert der sich lohnt an Schulen gebracht zu werden? Nein, wohl eher nicht, auch wenn Spiele wie Call of Duty da schon längst angekommen sind. Gaming ist Unterhaltung mehr denn je. Spielentwicklungen verschlingen Millionen um den Spieler noch mehr, noch besser, noch realistischer zu unterhalten. Während wir früher Rambo nur beim ballern zuschauen konnten, können wir jetzt selber aktiv eingreifen und Teil der Handlung werden. Ok, beim Thema Handlung ist Rambo vielleicht ein schlechtes Beispiel, aber wenn man z.B. als Caesar mit einem gewaltigen Heer in Echtzeit über die Lande zieht und dabei die historischen Schlachten nachspielen kann, hat das schon seinen Reiz. Ja, auch das ist Gaming und es macht Spaß. Es fesselt Millionen Spieler Weltweit, das Konzept geht auf und alle sind glücklich. Und auch die sinnentleerte „Candy Crush Saga“ lockte 2013 mit ihrer einfachen Struktur und dem simplen Verlangen nach „Mehr“, durchschnittlich 46 Millionen Spieler hinter dem Ofen hervor.

Aber es gibt Sie tatsächlich, die echte Kunst. Spiele die es geschafft haben sich von Äußerlichkeiten zu lösen und den Fokus nicht darauf legen eine – wenn auch oftmals sehr gute – Story zu erzählen, sondern den Spieler ins Zentrum setzen. Spiele wie „The Walking Dead“, bei dem zwar auch der ein oder andere Zombie das Zeitliche segnet, aber eher die beklemmende Endzeitstimmung und die folgenreichen Entscheidungen des Spielers im Fokus stehen. Ein Spiel, dass wie kein anderes dazu anregt, an sich selbst und den getroffenen Entscheidungen zu zweifeln, umso mehr, wenn am Ende eines Kapitels Statistiken eingeblendet werden, die zeigen wie sich andere Spieler entschieden haben. Ein anderes Beispiel ist hier auch „Minecraft“, das erst gar keine Geschichte besitzt, sondern dem Spieler freie Hand lässt, was er tun und lassen möchte. In diesem sogenannten „Sandbox-Spiel“ kann der Spieler Häuser bauen, Minen graben oder mit den richtigen Ressourcen ganze Schaltkreise anlegen um Prozesse zu automatisieren. Noch „weniger“ bieten hier Spiele wie „Dear Esther“, „The Stanley Parable“ und „Gone Home“, die von Kritikern gern als „Laufsimulatoren“ abgetan werden, da ja eigentlich nicht wirklich viel passiert, außer dass man Landschaften bzw. Räume erkundet und nur vereinzelte Nachrichten liest. Doch auch diese Spiele schaffen es in ihrem Kontext eine Nachricht zu übermitteln die jeder anders liest. Während „Dear Esther“ und „Gone Home“ eher eine empathische Ebene ansprechen, zeigt „The Stanley Parable“ sehr deutlich wie der Spieler mit Autorität und Misserfolgen umgeht. Wer hingegen einfach mal entspannen will, dem lege ich das minimalistische „Proteus“ ans Herz.

Aber soll die Klasse jetzt den ganzen Tag zocken für eine handvoll Emotionen oder eine „individuelle Erfahrung“? Wohl kaum. Dass es dennoch Spiele gibt, die durchaus Potential für den Unterricht haben zeigt folgendes Beispiel, dass ihr an dieser Stelle gern selbst ausprobieren könnt. Es ist kostenlos, es muss nichts extra installiert werden (außer vielleicht der Flash-Player), es dauert keine 5 Minuten und man kann nicht verlieren.

Viel Spaß mit:  EVERY DAY THE SAME DREAM 
(Hinweis: mit Pfeiltasten bewegen, mit Leertaste Aktion auslösen!)

Bis demnächst im Seminar,
Mr. Zylinder


PS.: Wer es durchgespielt hat, kann in den Kommentaren gerne mal sein Erlebnis kurz beschreiben, dabei aber bitte nicht zu viel verraten!  Und falls der ein oder andere seine Passion und Faszination für die Candy Crush Saga erläutern möchte, würde mich das natürlich auch brennend interessieren. 

7 Kommentare:

  1. Bin begeistert. Mir fällt da gleich was ein, wie man das in den Unterricht einbinden könnte. :) Gefällt mir.

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  2. Macht einen ja durchaus nachdenklich...

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  3. Grandios geschrieben, Mr. Zylinder. Ich habe mich selbst dabei ertappt zu analysieren, wie sich mein Gameplay auszeichnet und was es über mich aussagt und hab' Lust bekommen auch meinen Senf dazuzugeben. ;-)
    Also mal ehrlich: Bin ich ein gewaltsamer Mensch, weil ich 'The Evil within' hype? Lebe ich realitätsfern, weil ich gerne virtuelle Leben in 'Die Sims' entstehen lasse? Bin ich ein Couchpotatoe, weil ich mich von den bunten Kissen in 'Candy Crush' stundenlang an's Handy fesseln lasse? Ist es altersgerecht, wenn ich die Setline von 'Little Big Planet' unglaublich kreativ finde - oder wirkt das vielleicht kindisch?

    Nun ja, ich denke nicht. Also wieso sollte das nicht auch einen kleinen Platz im Unterricht haben? Wie du schon sagst, Games sind das Non-Plus-Ultra, nicht nur für die für uns relevante Zielgruppe, und wohl auch in geraumer Zukunft nicht mehr verdrängbar.
    Eins muss ich dann noch festhalten: Die Spieleentwicklung ist unglaublich fortschrittlich und basiert nicht mehr nur auf stupid erscheinenden Jump-and-Run-Begebenheiten. Gerade Spiele, die dein Urteilsvermögen und deine Einschätzungsgabe fordern, finde ich unglaublich ansprechend. Besonders beigeistert war ich hier von dem Postapocalyptischen Survival-Shooter 'The Last of Us'. Die Frage steht im Raum: Was würdest du tun, wenn...? Man schafft es endlich mal über den Tellerrand zu schauen und siehe da? Das Klischee des Gamer-Amokläufers scheint etwas haltloser geworden. Außerdem ist das doch auch mal ein guter Einstieg für einen Ethikunterricht z. Th. 'Der Mensch und seine Verantwortung für den Mitmenschen'.

    Das Spiel werde ich auf jeden Fall mal bei Gelegenheit ausprobieren ;-)
    - Grüße

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  4. Enthusiastischer Beitrag von einem begeisterten Gamer! ;)

    Meine Computerspiel-Zeiten sind zwar schon etwas länger her, aber die Erinnerung an meine Faszination für die Welten in Computerspielen ist noch nicht verblasst.

    Dein Beispiel gefällt mir auch. Die wirklich umfangreichen Spiele lassen sich im Unterricht ja doch eher schwer einsetzen. Wir können die SuS ja nicht ganze Unterrichtsstunden nur zocken lassen, obwohl das sicher im Interesse von vielen SuS wäre. :)

    Ich finde aber auch, dass man die Thematik nutzen sollte, um Probleme wie bspw. Suchtverhalten zu behandeln. Der Lehrplan der Mittelschule sieht das Thema auch vor (habe schnell mal nachgeschaut, ist ja eigentlich nicht meine Schulart). Dass sich SuS in der Welt der Computerspiele auch komplett verlieren können und sich dann fernab der "wirklichen" Welt bewegen wäre ja die Schattenseite des Ganzen.

    Mal schauen, was im Seminar dazu noch alles zusammen kommt. Ich bin gespannt.

    Grüße

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  5. Ich hab gerade diesen Artikel gefunden. Er weißt darauf hin, das Computerspiele heutzutage eben nicht nur zum bespaßen da sind sondern durchaus auch schwierige Themen ernsthaft behandeln wollen.

    Klick

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  6. Sehr schöner Beitrag!
    Hab mich gleich enthusiastisch auf das Spiel gestürtzt und hab es durchgespielt
    (ja es ist keine Endlosschleife! Für alle, die die Kuh nicht gefunden haben oder das Blatt nicht fangen konnten: ich hab auch eine Weile gebraucht)
    und habe unwilkürlich angefangen über mein eigenes Leben und die Routinen, die wir uns schaffen, ohne das eigentliche Leben mit all seinen vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen.

    Dennoch: Den Wert von Computerspielen im Unterricht seh ich eher als motivationalen Lebensweltbezug der SuS, für die Verbindung des Unterrichts mit der Lebenswelt der SuS: zur Zeit als World of Warcraft (ein Online-Rollenspiel) sich in unserer Schule und in den Gesprächen der SuS wiederfand, kam einer meiner Lehrer auf die Geniale Idee sich ein gelbes Ausrufezeichen zu basteln und damit über dem Kopf in die Schule zu gehen... die Resonanz war enorm, selbst Schüler, die keinen Kontakt mit WOW hatten, kamen zu ihm und fragten von sich aus, was es damit auf sich habe...
    Mit solch einfachen Mitteln konnte sich der Lehrer ziemlich leicht die Aufmerksamkeit der SuS sichern und sie zu Aufgaben bewegen, die sie sonst vllt. nicht interessiert hätten, nur weil er einen Bezug zur Lebenswelt der SuS geschaffen hatte.
    Dies erfordert Aufmerksamkeit oder Schülergespräche, um zu wissen, was die SuS aktuell beschäftigt.

    Den Einsatz von Computerspielen im Unterricht darüber hinnaus seh ich eher etwas kritischer, da es selbst bei so minimalistischen Spielen, wie "Every Day the same Dream" zu viel Ablenkung gibt, die wertvolle Unterrichtszeit ungenutzt verlaufen lassen. Der Einsatz von sekundären Medien halte ich da für sinnvoller... z.B. befassen sich mitlerweile auch schon viele Filmemacher mit dem Thema: Sword Art Online oder Log Horizont, um einige Animeserien zu nennen, die sich mit der Thematik beschäftigen, wie sich soziale Gesellschaften in den digitalen Paralellwelten entwickeln, wenn sich die Spieler völlig in der Welt verlieren.
    Ein Ausschnitt daraus halte ich vergleichsweise sinnvoller.
    Die tiefgründige Behandlung schwieriger Themen lässt sich durch ein bespielen einführen, kann aber meiner Meinung nach nicht die Besprechung im Unterricht ersetzten, sondern maximal dazu motivieren. Wie Zeitaufwendig diese Motivationsphase dann gestaltet werden sollte, muss dabei aber auch bedacht werden! Ein ganzes Spiel durchspielen zu lassen, rechtfertigt dies nicht. Einzelne Elemente aus Spielen aufzugreifen, wie das gelbe Ausrufezeichen dagegen eher!

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  7. Zuallererst, vielen Dank für eure Kommentare!

    @ Sun Day: Der von dir angesprochene Zeitfaktor ist wahrscheinlich mit das größte Problem. Insbesondere wenn Spiele komplexer werden und die Schüler unterschiedlich schnell das erwartete Ziel erreichen. Generell sehe ich den Einsatzbereich von Computerspielen, aber auch nicht in der alltäglichen Stundengestaltung, sondern ähnlich wie bei Filmen und Hörbüchern, eher in Randbereichen, also Einleitungen in neue Themengebiete, Zusammenfassungen und so weiter. „Every Day The Same Dream“ könnte sich z.B. auch gut als Hausaufgabe eignen.

    @ ullikat: Der von dir verlinkte Artikel und insbesondere das darin beschriebene Spiel „This War of Mine“, beschreibt wunderbar was ich auch mit meinem Artikel zum Ausdruck bringen wollte. Natürlich wird in zahllosen Spielen der Krieg aus der Perspektive des Angreifers oder des Verteidigers – teils heroisch wie in Call of Duty – thematisiert. Das ist auch voll ok und bietet einen unbestreitbaren Unterhaltungswert. Doch umso interessanter ist es, wenn der Blickwinkel in eine Opferposition verschoben wird und gezeigt wird, wie Zivilisten einen Bürgerkrieg erleben und was Kollateralschaden eigentlich heißt.

    Ich seh schon, da gibt es eine Menge Diskussionsbedarf und Themen die man ansprechen könnte. Vielleicht ja auch im Seminar ;).

    Beste Grüße,
    Mr. Zyliner

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